“You are never too small to make a difference”

Ich war 15 als ich das erste Mal bei Fridays for Future Innsbruck mit den anderen 4000 Jugendlichen um die Wette johlte. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, riefen wir im protestierenden Gleichklang den PassantInnen um die Ohren. Die Pappschilder vom Regen aufgeweicht, die Schnürsenkel offen und mit fünf Leuten unter einem Schirm protestierten wir dem Ziel entgegen.

Was ist das Ziel? Eine bessere Zukunft? Umweltschutz? Mehr Mut unter den Politikern? Oder einfach nur ein freier Freitagvormittag außerhalb des kleinen Klassenraums, wie es einige PolitikerInnen und Medien darstellen.

Ich kann nicht für alle 1,8 Millionen Personen sprechen, die am 24. Mail 2019 an dem weltweiten Großprotest teilgenommen haben, aber für mich. Mein Ziel stand seit Monaten vor der Demonstration fest und hatte schon zu einige Diskussionen mit meinen Eltern, FreundInnen und LehrerInnen geführt: Ich wollte etwas verändern. Und ja, das klingt ziemlich gutgläubig.

„Man kann nicht die Welt ändern“

„Eine Person allein kann nichts bewegen“

Diese Aussage hörte und höre ich auch immer noch regelmäßig. Aber ich denke, dass das nicht stimmt. Greta Thunberg war auch allein. Sie stand allein vor dem schwedischen Parlament in Stockholm mit einem Pappschild in der Hand und dem gleichen Wunsch, den auch ich und so viele andere haben: Sie wollte was verändern. Und hatte sie nur Befürworter? Nein. So viele Menschen beklagen sich über ihr Vorhaben und ihre Mission, so viele sind gegen ihre Methoden. Aber hat sie etwas verändert? Ja. Greta Thunberg schaffte es meine Generation weltweit auf die Straßen zu bringen und sich für Klimaschutz einzusetzen. Ganz allein, als einzelne Schülerin mit nur 15 Jahren.

“Es ist schwer etwas zu bewirken.”

Zumindest für einen Freitagvormittag machen sich dank Greta viele Jugendliche Gedanken über Ihre Zukunft, über ihren Planeten und über ihren Konsum. Doch natürlich reichen diese Gedanken nicht aus. Sie sind ein Anfang, ein guter sogar, aber auch ich musste nach einiger Zeit feststellen, dass für einige Schülerinnen und Schüler ihre persönliche ‚grüne Revolution‘ nach diesen Protesten ebenso abrupt endete, wie sie angefangen hatte. Zahlreiche kehren wieder zu genau den Verhaltensmustern zurück, auf die sie während den Protesten geschimpft hatten. Und so unterstützen leider viele weiterhin große Konzerne, die Worte wie „Nachhaltigkeit“, „faire Löhne“ oder „Schadstoffvermeidung“ anscheinend noch nie gehört haben, Fast Food Ketten deren Lebensmittel fast nicht mehr als solche bezeichnet werden können, Elektrohersteller, deren Rohstoffe in Ländern wie Afrika unter furchtbaren und menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut werden, und viele andere schreckliche Unternehmen, die so ‚grün‘ sind wie ein streifen Asphalt.

Also muss ich einigen kritischen Medien und Politikern teilweise recht geben, ja, einige der Protestanten sind wohl nur vorübergehend auf diesen grünen Zug aufgesprungen und werden in ihrer Freizeit wahrscheinlich nicht viel ändern. Aber das macht diese Bewegung nicht zu etwas Schlechtem. Denn es geht auch anders: wie viele Jugendliche ändern wirklich ihre Einstellung, recherchieren und informieren sich zu Themen des Umweltschutzes, überdenken ihren Konsum und streben bessere Lösungen an. Um das zu sehen muss man sich nur das diesjährige Ergebnis der Europawahl ansehen: die Jugendlichen wählten Grün. Und allein, wenn ein Bruchteil aller, die bereits an Fridays for Future Demonstrationen teilgenommen haben, ihr Verhalten und ihre Denkweise ändern, wäre unserer Welt schon so viel mehr geholfen, als vor den Demonstrationen.

„When the leaders act like kids – the kids become leaders“

Ich sehe in dieser ganzen Bewegung aber auch eine Anklage an die Generation unserer Eltern. Wie kann es sein, dass ein Mädchen diejenige ist, die sich mehr für den Klimaschutz einsetzt als ein erwachsener Politiker. Wie kann es sein, dass Schulklassen diejenigen sind, die sich scheinbar mehr mit der Erderwärmung befassen als ihre Lehrer. Wie kann es sein, dass Jugendliche ihren Eltern und Großeltern den Klimawandel und die Problematik dahinter verständlich machen und erklären müssen, und nicht umgekehrt? Und wie kann es sein, dass trotz diesen Aufrufen, trotz dieser Vorwürfe, immer noch nichts passiert? Wie kann man beispielsweise als Politiker die Stimmen dieser Bewegung überhören und dann auch noch sagen, wir Jugendlichen sollten doch bitte nach Schulschluss demonstrieren? Vielleicht sollten sich die „großen“ Menschen einmal ein Beispiel an den „kleinen“ Menschen nehmen.

Auch ich war nach meiner ersten Fridays for Future Demonstration ein wenig entmutigt. Kopfschüttelnde Passanten und Verwandte, die sich besorgt nach den verpassten Unterrichtsstunden erkundigten, entmutigten mich. Mir kam es so vor, als würden viele Erwachsene zwar immer über Politiker herziehen und große Konzerne für ihre Rücksichtslosigkeit anprangern, aber sobald es heißt, für eine Veränderung aufzustehen, lieber den Kopf einziehen und sich mit einem Jute Beutel in der Hand im Supermarkt so fühlen, als würden sie ihren Beitrag zu einer Veränderung schon ausreichend beisteuern. Auch als politikfaul musste sich meine Generation schon oft betiteln lassen. Und ja, traurigerweise interessiert es einen Großteil der Jugend nicht, was in unserer Regierung und auf der ganzen Welt passiert, aber dieses Problem findet man häufig im gleichen Ausmaß in der Generation unserer Eltern wieder. Allerdings wird von ihnen lediglich erwartet, wählen zu gehen, und nicht, sich aktiv einzusetzen.

Die große Begeisterung verdankt Fridays for Future wohl den klassischen Medien. Zeitungen, Nachrichten im TV oder Radio, aber vor allem auch die soziale Medien haben diese Bewegung unglaublich populär gemacht. Und das in einer beeindruckenden Geschwindigkeit. Die Instagram Seite von Fridays for Future Deutschland hat 170 k Abonnenten, die Seite von Wien 12,3 k. Aber schon vor dieser konkreten Bewegung bahnte sich die ganze Thematik Jahre lang im Internet an. Zero Waste, Plastikfrei leben, Nachhaltige Produkte, Recycling, all diese Begriffe und Visionen dahinter waren schon lange für zahlreiche Jugendliche auf der ganzen Welt präsent.

Fridays for Future ist das Ergebnis eines langen Prozesses, einer langsamen, aber stetigen Veränderung der Denkweise der Menschen, transportiert durch die sozialen Medien. Likes, Shares und Retweets sind für viele Jugendliche ein Weg des Protestes und des Aufstandes im Netz geworden. Informationen und Statistiken werden im Sekundentakt geteilt und verbreitet, Daten und Zahlen sind für jedermann zugänglich im Internet zu sehen. Ich denke das dieser Umstand einer der Hauptfaktoren für das große Umdenken von so vielen Menschen war und sein wird.

Für mich jedenfalls hat Fridays for Future etwas verändert.

Schon lange Zeit vor den Demonstrationen hat mich dieses Thema beschäftigt. Nachrichten, Berichte, Zahlen und Statistiken haben mich beunruhigt, die ganze Thematik hatte mich aufgewühlt. Fridays for Future ist für mich und für viele andere ein Sprachrohr zu den PolitikerInnen geworden. Die Probleme unserer Erde und des Klimas kennen wir schon lange und um es mit Greta Thunbergs Worten zu sagen: we panic. Die Weltweiten Demonstrationen waren ein Weg, um diese Panik und die Sorgen meiner Generation in die Medien und in die Politik zu bringen. Ich denke, dass diese Bewegung viel in die richtige Richtung bewegen kann. Vielleicht nicht zwangsläufig in den sturen Köpfen einiger PolitikerInnen, die sich wohl immer querstellen müssen – aber auf jeden Fall in den Köpfen der Jugendlichen meiner Generation.

Ich denke, dass die Zukunft des Konsums und des Lebensstils vieler Menschen in den kleinen Alternativen liegt, die es heute teilweise sogar schon gibt. Onlineshops wie 4betterdays beschäftigen sich genau mit der neuen Philosophie vieler Jugendlicher und Erwachsener. Nachhaltigkeit, lokale Unternehmen, keine Transportwege um die halbe Welt, Wiederverwertung, faire Arbeitsverhältnisse; all diese Werte werden mir immer bewusster und wichtiger. Auch in meiner Familie oder in meinem Freundeskreis kann ich diese Veränderung feststellen. Aus diesem Grund habe ich mich zu einem Praktikum bei 4betterdays entscheiden – weil es kein Unternehmen ist, das nur mit seinen Zahlen steht und fällt, sondern versucht Werte zu vermitteln.

Und von diesen Werten brauchen wir noch viel mehr.

Johanna Westreicher